KDR-Society: "Kreativität beginnt mit der Entscheidung."

In Reih und GliedMorgen erscheint das Album Last flight from Rwanda der Klilimandscharo Dub & Riddim Society, kurz KDR-Society, in Deutschland. Eine gute Gelegenheit, mit dem Drummer des austro-afro-amerikanischen  Projekts, mit Alfred Vogel, die verkehrliche Erreichbarkeit oberösterreichischer Kuhdörfer und die Verfügbarkeit Hartz-IV-unverdächtiger Kontraktmusiker zu erötern, um bei der arschknapp an Philosophie vorbei schlitternden Frage zu landen: Was ist eigentlich Jazz?

Beim Hören eures Albums Last flight from Rwanda hat man Mühe, den in eurem Namen genannten Dub zu entdecken. Vermutlich eine Frage der Auffassung. Deshalb: Was ist dein Verständnis von Dub?
Ja. Es gibt auch immer wieder Leute, die das wortwörtlich nehmen, und in diesem Sinne verstehe ich das Problem. Wir brauchten damals einen Namen, der erstens die Afrika-Orientierung miteinbezieht -Kilimandscharo -, zweitens die Offenheit zu neuen Beatz der Dancefloorbewegung erahnen lässt, Dub&Riddim, hätte genauso gut Jungle&Break oder was weiß ich wie heißen können ..., und drittens den Projektcharakter bzw. die Fluktuation der Bandmitglieder prophezeit! So gesehen, wären wir immer falsch gelegen ... aber deswegen ist uns auch KDR-Society lieber.

Auf jemanden, der nicht so "into jazz" ist, wirkt eure Musik sehr jazzlastig, besonders wenn man das Livealbum Welcome to the village hört. Beim Lesen der Pressetexte beschleicht einen aber das Gefühl, dass ihr das ganz anders seht. Steht aus deiner Perspektive der Jazz bei der KDR-Society eher im Hintergrund?
Was ist Jazz eigentlich? Ein alter, staubiger Begriff? Das Wort für Freiheit und Offenheit schlechthin? Ich verstehe es im zweiten Sinne. Eigentlich braucht dieses Wort keine Adjektive wie Nu- oder Trip- oder was weiß ich. "Jazz" steht heute für das Zulassen und Akzeptieren der Globalisierung im musikalischen Sinne, und das war eigentlich schon damals so. Globalisierung ist ja nicht erst seit gestern im Gange. Klar spielen wir Jazz, aber da ist auch genügend Funk, Grunge und allerlei. Wir spielen am einen Tag im Jazz-Club, am nächsten auf einer Rock-Alternative-Stage: die Leute lieben es, egal ob Puristen oder Kids, die nach dem Konzert kommen und fragen: "Geil, wie heißt das eigentlich, was ihr macht ...?"

Die KDR-Society wird von euch als Projekt bezeichnet. Das scheint auf einen eher losen Verbund von Musikern hinzudeuten, auf Sessioncharakter. Am Bass gab es ja bereits eine Umbesetzung. Wie wird sich die Society entwickeln, musikalisch, aber auch im personellen Bereich?
Stimmt. Die Society besteht einerseits aus fixen Mitgliedern: Herve Sambe, Kofi Quarshie, Peter Madsen und mir. Bass und Trompete wird eben nach Notwendigkeit ersetzt. Es lässt sich leider nicht anders vereinbaren. Dadurch leidet die Musik allerdings nie, es tun sich immer wieder neue Klangwelten auf, der Style bleibt aber in der Ecke. Wichtig ist, dass es keinen Chef gibt, es haben alle "Sidemen" gleich viel (musikalische) Bedeutung, auch neue Society-Mitglieder werden auf den Live-Konzerten voll gefeatured. Das macht extrem Spaß und hat bis jetzt bestens funktioniert. Musikalisch werden wir immer die Afrika-Orientierung haben, allein durch Herve Samb und Kofi Quarshie. Sambe ist ja auch zum Großteil bei den Stücken federführend. Mir persönlich schwebt die Zusammenarbeit mit einem Streicherquartett vor, aber dazu fehlt derzeit noch die organisatorische, finanzielle Möglichkeit ... derzeit möchten wir uns aufs Live-Spielen konzentrieren, ein weiteres Studioalbum ist in Arbeit.

HornstoßenIn Wien gibt es ja einen von Joe Zawinul betriebenen Birdland-Ableger im gediegenen Ambiente des Hilton. Ist das nun der Nabel der österreichischen Jazzwelt oder einfach nur elitäre Kacke?
Weder noch. Den Nabel gibt es in Österreich schon viel länger als das Birdland, und selber war ich noch nie dort, um zweiteres bestätigen zu können. Das Birdland ist ein heiß diskutierter Club, aber das ist doch gut so, das wünschen sich alle. Ich hoffe, dass noch viele schöne Konzerte stattfinden, und würde selber mal gerne dort spielen.

Wir bemitleiden unser ständig ob der nicht nur musikalischen Provinzialität unserer Heimat, des Ruhrgebiets. Ihr trefft euch irgendwo in der österreichischen Bergwelt um euer Album aufzunehmen. Kannst du eine Lanze für die Provinz brechen?
Mir geht es oft auch so, aber ich kann die Lanze nur für mich selber brechen. Irgendwann habe ich kapiert, dass man auf die Leute zugehen muss. Bis jetzt habe ich nur gute Erfahrungen gemacht - wenn Leute wie Jamaaladeen Tacuma oder etwa Mike Mondesir aus Philadelphia oder London anreisen, und dann sagen: Hey Alfi, this is great what you´re doing - anytime again ... oder etwa Peter Madsen Gigs mit Pee Wee Ellis sausen lässt, nur damit er für ein wenig Kleingeld mit uns spielt ... dann freut mich das sehr. Mittlerweile bekommen wir die Bestätigung auch von außen.
Es ist mit organisatorischem Mehraufwand verbunden, nicht unbedingt mit Kosten. Es ist billiger, Mondesir aus London einfliegen zu lassen, als für einen Züricher Bassisten mit dem Auto herzukommen. Kreativität beginnt mit der Entscheidung und steht oder fällt mit der künstlerischen Fähigkeit, Leidenschaft. Ich kenne das Ruhrgebiet leider zu wenig, das einzige, was wir tun können, ist, bei euch zu spielen, Leute zu inspirieren, die dann Entscheidungen treffen, was sie in ihrem Leben tun oder lassen möchten.

www.traps.at

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