Die Mensch-Maschine

"Anfang 2020 lieh mir Yamaha ein Disklavier", erzählt Kelly Moran, "ein spezielles Instrument, mit dem man sein Spiel aufzeichnen kann, damit das Klavier es selbst wiedergeben kann. Ursprünglich arbeitete ich an einem Duett für mich und einen anderen Pianisten, aber als die Pandemie ausbrach, wurde das Disklavier mein Duettpartner. Ich begann, eine Reihe von Duetten für mich und das Disklavier zu schreiben und alle Möglichkeiten zu erforschen, wie ich dieses Instrument nutzen konnte, um seine unmenschlichen Fähigkeiten mit meinem eigenen Spiel zu verschmelzen."
Das Ergebnis ist Kellys neues Album "Moves in the field", das am 29. März bei Warp Records erscheinen wird. Ein Album mit Klavier im Mittelpunkt, aber halt ein unmenschliches Klavier mit digitalen Möglichkeiten bis zum Abwinken. Dennoch ist "Moves in the field" ein sehr stimmungsvoller Soundtrack geworden. Musik für den Rückzug in sich selbst. Sehr passend für das philosophische Kant-Jahr 2024 und selbstverständlich fürs Eislaufen.

www.kellymoran.warp.net

Tiere und Türen

Dennis Scheider macht und tut. Produziert ständig neue Musik. Gründet neue Bands. Aber am Ende sagen doch nur alle: Ah ja, muff potter. Denn dessen Gitarrist war Dennis damals in den 90ern. Es ist und bleibt sein Leuchtturmprojekt. Auch wenn es nette andere Sachen gab in seiner Vergangenheit, wie beispielsweise Hotel Schneider. Eine vierköpfige Band, die einen gewissen Funk an den Tag legte.
Doch jetzt ist es wieder schnörkellose Gitarrenmusik, die Dennis mit seinem neuen Projekt Die Tiere vorstellt. Mit "Türen" ist nun die erste Single draußen und es ist eine weitere Facette in Scheiders musikalischem Schaffen. Er selbst gibt zu Protokoll: „Ich fand es schon immer extrem gut, beim Produzieren auf alle Sounds oder Strömungen zu verzichten, die einen Rückschluss darauf zulassen, wann diese Musik aufgenommen wurde“.
Das finden wir wiederum extrem gut, wenn Bands auftauchen, die dem musikalischen Zeitgeist auch einmal die Stirn bieten, aber dennoch nicht altmodisch wirken. Insofern ist die Vorfreude groß auf die erste EP der Tiere. Die wird "Wir wollen nichts" heißen und am 03. Mai erscheinen. Selbstverständlich bei Scheiders eigenem Label Richard Mohlmann Records.

www.dietiere.net

Gemeinsam scheiße fühlen

Die Sounddatei zu "Manau" sortiert sich selbst in die Schublade dark pop. Nala Tessloff kategorisiert ihre Songs als Weltuntergangs-Soundtrack. Ihr solltet allerdings keineswegs auf Nalas Songs verzichten, weil ihr Angst vor schlechter Stimmung habt. Die Hamburger Künstlerin hilft euch da eher raus, weil es doch so schön ist, wenn man sich nicht allein schlecht fühlt. Wer kennt das nicht: "But everytime I try to face my mind, the world turns grey and I'm not okay."
"Manau" ist die neueste Veröffentlichung von Nala Tessloff. Den Track verziert ein schönes Synthie-Thema, begleitet durch eine angenehme bassline und gepflegte Gitarren. Es bleibt genügend Raum für Nalas Stimme, um die es sonst echt schade wäre.
Die Sängerin/Songwriterin, Komponistin und Performance-Künstlerin bereitet uns auf ihr düster-souliges Solo-Debüt vor, auf dem sich Einflüsse finden aus ihrer bisherigen Arbeit im Bereich Filmmusik, Hochkultur und Performancekunst. Es wir "Daydream" heißen und ab 01. März bereit stehen.

www.nalatessloff.com

Ich sah's kommen

Vor wenigen Wochen kündigte ich an dieser Stelle voller Hoffnung auf ein neues Album die neue Single von Alice Russell an. "Rain" erblickte nach Alices zehnjähriger Schaffenspause das Licht der Welt. Und bewies, dass Alice Russell eine wirkliche Soulgranate ist.
Alice legt nun mit "I see you" nach und kündigt damit das erhoffte Album an. "I see you" ist eine gediegene Pianoballade, die von einer verhallten Kickdrum begleitet wird. Alices Stimme steht voll im Raum und sehr persönliche Vocals runden das Bild zu einem gefühligen Soultune.
"I see you" ist nach "Rain" die zweite Veröffentlichung vom kommenden Album "I am", das irgendwann im April auf den Markt kommt. Auch als schönes, marmoriertes Vinyl. Ostern und Weihnachten an einem Tag!

www.alicerussellmusic.bandcamp.com

Der Mörder ist immer der Poolboy

Gia Ford ist Britin. Sie schafft es aber mühelos, mit ihrem neuen Song "Poolside" ein großes Stück Amerika zu transportieren. "Poolside" hört sich nach großem, amerikanischen Singer-Songwriter-Pop an mit einem percussiongleichen Schlagzeug und prägnanten Gitarren von flächig bis schneidig.
Irgendwie Westcoastsound, der allerdings konterkariert wird wird durch eine gewisse morbide Bitterkeit. Das liegt an der Geschichte, die uns Gia erzählt. Eine kleine, hübsche Parabel auf die leider immer noch existierende Ungleichheit zwischen Menschen im Licht und der Masse im Schatten: "In summer town where I'd love to watch you drown", bringt unsere spätkapitalistischen Auswüchse maximal poetisch auf den Punkt.
Ich hoffe inständig, dass Gia Ford ihr großes Talent, Songs zu schreiben, im neuen Jahr in ein umwerfendes, neues Album ummünzt.

www.instagram.com/gia__ford

 

Nicht deine Märchentante

Nanti möchte uns in eine Märchenwelt verführen. Aber man sollte sich nicht täuschen. Nanti gaukelt zwar arabische Exotik vor, haut dir aber knallharte Realität um die Ohren. "Sheherazade" ist der neueste Track der Frau, in dem sie - wie häufig in ihren Songs - Vorurteile benennt, Schwierigkeiten und Probleme beschreibt, von denen Menschen in Deutschland betroffen sind, die hier nicht ihre Wurzeln haben.
Wie wichtig diese Ansichten sind, ist allen Deutschen hoffentlich sehr bewusst, seit bekannt ist, dass brandstiftende Biedermeier sich in einer historischen Potsdamer Villa treffen, um Mappen mit alten und kranken Ideen aus verstaubten Schubladen zu ziehen.
Sind wir tatsächlich so bekloppt, diesen Ideen zu folgen und uns der Kreatitivität und dem kulturellen Input aus anderen Ecken der Welt zu berauben? Leute...
Nein, wir freuen uns auf die kommende, zweite EP von Nanti. Die kommt am 26. Januar. Einen Tag vor dem Holocaust-Gedenktag.

www.instagram.com/nanti.office